Recht auf Vergessen

Mit dem "Recht auf Vergessen" umschreibt man den Anspruch, dass gewisse Informationen nicht länger öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen. Im schweizerischen Recht wird der Anspruch sowohl aus dem Persönlichkeitsrecht des Zivilgesetzbuches wie aus dem Datenschutzgesetz abgeleitet; eine ausdrückliche, gesetzliche Bestimmung fehlt, aber die Rechtsprechung und die Lehre gehen davon aus, dass es unter bestimmten Umständen dieses "Recht auf Vergessen" gibt. Konkreter heisst dies, dass der Suchmaschinenbetreiber in Suchergebnissen die Hinweise auf bestimmte Fundstellen löschen muss, dass bestimmte, in der Vergangenheit liegende Tatsachen nicht mehr (neu) veröffentlicht werden dürfen (wie Vorstrafen) - beides ungeachtet des Umstandes, dass sie sachlich zutreffend ("wahr") und allenfalls weiterhin öffentlich zugänglich sind.

Mit anderen Worten ist die Wahrheit und Richtigkeit allein nicht ausreichend, vielmehr kann der Betroffene seinen "Löschungsanspruch" gerade auch dann geltend machen. Vorauszusetzen ist immerhin, dass die Meldung sich auf ein Persönlichkeitsgut, wie Ehre, Ansehen, Beziehungsleben etc. bezieht und überdies einen herabsetzenden (negativen, nachteiligen) Inhalt hat. Bei harmlosen, unverfänglichen, belanglosen "Wahrheiten" müsste man einen Löschungsanspruch deshalb verneinen, gleich wie bei positiven Meldungen. Es ist abzulehnen, aber kann angesichts der unsicheren Abgrenzungen durchaus nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichtspraxis aus dem Herrschaftsrecht eines Betroffenen über seine Daten auch ableitet, dass selbst positive Meldungen gelöscht werden müssen. Ebenso wenig ist abschliessend geklärt, wie weit der Anspruch sich auf Daten bzw. Meldungen bezieht, die der Betroffene selbst veröffentlicht hat.

Das "Recht auf Vergessen" steht damit in einem vielfältigen Spannungsverhältnis zu anderen Interessen: Der Medien- und Meinungsfreiheit, der Informationsfreiheit, dem "Recht auf Geschichte" bzw. dem "Recht auf Wahrheit", um nur einige zu nennen. Nach der herrschenden Rechtspraxis sowohl des schweizerischen Bundesgerichts wie des Europäischen Gerichtshofes hat eine Abwägung im Einzelfall stattzufinden - womit allgemeine Aussagen darüber, wann ein Anspruch besteht und wann andere Interessen überwiegen, kaum möglich sind. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat es sogar für zulässig erachtet, dass eine inhaltlich unzutreffende Meldung in einem Online-Archiv weiterhin zugänglich bleibt, weil nur so zu gewährleisten sei, dass es keine Verfälschung historischer Vorgänge geben könne. Es ist auch aus Gründen der Verhältnismässigkeit grundsätzlich nur die Sperrung von Daten (Informationen), nicht aber deren (definitive) Vernichtung anzuordnen. Damit wird einigermassen sichergestellt, dass das "Recht auf Vergessen" nicht zu einer Vernichtung historischer Daten oder einer aktiven Geschichtsfälschung führen kann.