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Auffanggesellschaft und offene Mehrwertsteuer

20.5.2021
Felix Rutschmann

Das Bundesgericht hat mit einem vor kurzem publizierten Entscheid (BGE 146 II 73) die Klage der eidgenössischen Steuerverwaltung gegen eine Nachfolgegesellschaft einer in Konkurs geratenen Gesellschaft gutgeheissen. Die Auffanggesellschaft wurde verpflichtet, die auf dem übernommenen Betriebsteil unbezahlt gebliebene Mehrwertsteuer zu bezahlen.

Dies, obwohl es nicht um eine Übernahme von Aktiven und Passiven ging, sondern nur um einen Kauf von Aktiven (Fahrzeuge) durch eine neue Gesellschaft mit anschliessender Fortführung der mit den Aktiven zuvorausgeübten Tätigkeit (Taxibetrieb).

Bis anhin war eine solche Haftung nur bei Übernahme von Arbeitsverhältnissen bekannt (oder bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch = Durchgriff). Bereits der im Zusammenhang mit der Angleichung an das EU-Recht ins OR aufgenommene Art.333 OR gab Anlass zu vielen Vorstössen im Parlament und zu Gerichtsentscheiden. Als Folge dieser Regelung scheiterten Sanierungen über Auffanggesellschaften, wenn offene Arbeitnehmerforderungen bestanden. Mit der Revision des Sanierungsrechts, in Kraft seit 01.01.2014, wurde immerhin zur Erleichterung von Sanierungen festgelegt, dass diese Bestimmung bei Übernahmen aus dem Konkurs, oder schon während der Nachlassstundung, nicht zwingend gilt.

Mit dem gefällten Entscheid in Mehrwertsteuersachen werden wiederum auf kurzsichtige Art und Weise Sanierungen über Auffanggesellschaften massiv erschwert. Aus der Begründung muss zudem geschlossen werden, dass die Haftung der Käuferin für Steuerschulden der Verkäuferin auch bei einem Erwerb eines Betriebsteils oder des ganzen Betriebs während einer Nachlassstundung, einer Nachlassliquidation oder aus einem Konkurs gilt. Nicht zur Anwendung kommt diese vermutlich bei einem Zustandekommen eines ordentlichen Nachlassvertrags mit Dividendenvergleich, da die alte Gesellschaft mit Schuldenschnitt weiter besteht. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber – oder das Bundesgericht selbst – korrigierend einschreitet, was jedoch wiederum Jahre dauern kann.

Lic. iur. Felix Rutschmann