Prozessfinanzierung bei Konkurs und Sanierung
Hans Weissberg
Prozessfinanzierung ist ein geeignetes Mittel, wenn überwiegende Erfolgsaussichten für die gerichtliche Durchsetzung einer bestrittenen Forderung sprechen, für Gerichtskostenvorschüsse und Anwaltskosten jedoch das Geld fehlt.
Gilt das auch für Konkurs- und Sanierungsfälle?
Dass die Mittel für einen teuren Prozess fehlen, ist bei einem Konkurs oder einer Firmensanierung der Normalfall. Konkursverwaltung oder Sachwalter können ihrer Hauptaufgabe, das Bestmögliche für die Gläubiger herauszuholen, nicht optimal nachkommen. In dieser Hinsicht ist immer noch zuwenig bekannt, dass eine Prozessfinanzierung auch im Konkurs- oder Sanierungsfall ein probates Mittel ist, gefährdete Gläubigerrechte zu schützen.
Aus Sicht der konkursiten oder zu sanierenden Gesellschaft ist die Beteiligung, welche im Erfolgsfall an den Prozessfinanzierer zu bezahlen ist, ein kleiner Preis im Vergleich zum Totalverlust der Forderung, wenn sie nicht durchgesetzt werden kann. Dies gilt noch viel mehr, weil der Gesellschaft aus der Durchsetzung der Forderung keine Kosten entstehen und sie, abgesehen von der Bonität des Finanzierers, kein Risiko zu tragen hat. Auf der Seite des Prozessfinanzierers wiederum spricht nichts gegen die Finanzierung einer Klage, auch wenn es sich beim Vertragspartner um eine Gesellschaft im Konkurs oder in Nachlassstundung handelt. Die Erfolgsbeteiligung des Prozessfinanzierers ist eine Masseverbindlichkeit, welche – selbstverständlich nur im Erfolgsfall – prioritär zu bedienen ist.
Dies könnte schon bald in den Fokus von Konkurs- oder Sachwaltern geraten. Da aber ein Gerichtsverfahren bekanntlich lange dauern kann, macht eine Prozessfinanzierung vor allem Sinn für Gesellschaften, welche saniert werden und auch nach dem Abschluss des finanzierten Prozesses weiterbestehen und wirtschaftlich aktiv sind (Auffanglösungen oder Übertragung einzelner Betriebsteile auf andere Gesellschaften). Gleiches gilt für grosse Konkurse, welche auch ein längeres Gerichtsverfahren überdauern können, womit das zeitliche Moment keine Rolle spielt.
Coronabedingt sind in der Schweiz 2020 die Zahlen bei den Konkursen im Vergleich zum Vorjahr um rund 20% zurückgegangen, bei den Sanierungen war der Rückgang noch stärker. Erklären lässt sich dies durch die zahlreichen staatlichen COVID-19-Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen, wodurch eine Welle von Insolvenzen bislang wirksam vermieden werden konnte. Es ist zu befürchten, dass mit dem Auslaufen der staatlichen Massnahmen die Zahl von Konkursen und Firmensanierungen in die Höhe schnellen wird. Zahlreiche der zu sanierenden Betriebe haben teilweise hohe Forderungen gegen Geschäftspartner, die nur mit entsprechendem Duck, das heisst auf dem Gerichtsweg durchgesetzt werden können. Und dazu werden Mittel benötigt, die der Gesellschaft in der Sanierung an anderen Orten fehlen würden. Das ist der Moment für die Konkursverwaltung oder den Sachwalter, sich Gedanken über eine Prozessfinanzierung zu machen.
Lic. iur. Hans Weissberg